29. März 2024

Sachsen will Verfassungsänderung

Schuldenbremse vs Verfassung

 In ganz Europa haben wir wirtschaftliche Probleme, mal mehr, mal weniger drastisch. Als Ursache wird ständig von Krisen gesprochen, Wirtschaftskrise, Bankenkrise, Schuldenkrise.
Da ist es wieder, das böse Wort „Schulden — Krise“

Zum Glück aber leben wir nicht in Europa, sondern in Sachsen. Und Sachsen sparen, und Sachsen wollen keine Schulden mehr machen. Das klingt im ersten Moment ja recht vernünftig. Und diesen Willen, keine Schulden machen zu wollen, wollen die Sachsen am 10. Juni als erstes Land in ihrer Verfassung verankern. Klingt auch ganz toll. Sachsen bremst die Krise aus, zumindest theoretisch. Und auch nur, wenn man der sächsischen Politikergarde, welche eine erstaunliche und sicher auch einmalige Einigkeit quer durch alle Parlamentsparteien zeigt, glauben will.

Das Ganze nennt sich dann logischer weise „Schuldenbremse“ Und sicherlich ist diese auch „alternativlos“ Wirklich? Der sparsame Sachse jedenfalls findet das toll. Aber fragen wir dazu doch mal jemanden, der was von Wirtschaft und Geld versteht. Wie wäre es mit einem der Wirtschaftsweisen. Z.B. Peter Bofinger, der „allerletzte Keynesianer“ wie er einmal genannt wurde. Dem Tagesspiegel stand er jüngst zu einem Interview zur Verfügung. Stichwort Schuldenbremse: Antwort von Herrn Bofinger, Zitat:„ … die Schuldenbremse ist eine völlig perverse Reaktion. Da schreibt jetzt die Verfassung vor, dass der Staat keine neuen Schulden mehr machen darf, auch wenn er damit dringend benötigte Investitionen finanziert. Die Akteure an den Finanzmärkten haben nun wirklich demonstriert, dass sie das viele ihnen anvertraute Geld nicht sinnvoll anlegen können. Also wäre es nur vernünftig, dass der Staat die Sparvermögen der Bürger einsetzt, um etwa die Energienetze auszubauen oder die überlasteten Universitäten zu modernisieren. Aber nein, diesen Weg verbauen wir jetzt in ganz Europa per Verfassungsrecht.“

„Perverse Reaktion“? Ist das Perverse an der Schuldenbremse vielleicht, das versucht wird, Verschuldung zu verhindern ohne dem Geldsparen Einhalt zu gebieten. Wie dieser Widerspruch gelöst werden soll ist nicht Bestandteil der geplanten Verfassungsänderung.

Und was haben die Schulden des Staates überhaupt mit den Sparvermögen der Bürger zu tun? Eine einfache Gleichung sagt: Die SparGuthaben der Einen sind die Schulden der Anderen. Der sparsame Sachse, der sein Geld auf die Bank schafft, verschuldet die Bank. Diese muss wiederum einen finden, der sich bei ihr verschuldet. Und wenn sie keinen findet, hat sie ein Problem. Schließlich hat sie dem sparsamen Sachsen Zinsen versprochen. Bisher ist in solchen Fällen der Staat eingesprungen, hat sich das Geld geliehen, es investiert und damit die Zinszahlungen ermöglicht. Letztendlich bezahlt vom Bürger über seine Steuern. Doch das will der Staat nun nicht mehr, er will nur noch sparen. Auch wenn er dabei darunter etwas anderes versteht als der sparsame Sachse.

Mittlerweile hat ja sogar der Internationale Währungsfonds festgestellt, dass die derzeit von den Regierungen betriebene Sparpolitik nicht funktioniert, sondern die Verschuldungsquote noch steigert. Warum halten die Euro-Gewaltigen trotzdem an dem Kurs fest? Und sparen um jeden Preis, koste es was es wolle. Die Antwort von Peter Bofinger dazu, Zitat: „Das kann man nur mit dem neurotischen Verhältnis der Deutschen zur Staatsverschuldung erklären. Begründet wird das immer mit der Erfahrung der Hyperinflation von 1923 und der Währungsreform 1948. Den schlimmsten Schaden hat aber die Sparpolitik des Reichskanzlers Brüning in den 30ern angerichtet.“

Die Folgen sind nur allzugut bekannt – eine der schrecklichsten Diktaturen des kapitalistischen Systems. Und wer heute unvoreingenommen die Entwicklung der aktuellen Politik verfolgt, und das in ganz Europa, erkennt gleich Herrn Bofinger: Zitat: „Verrückterweise folgt die aktuelle Politik diesem Geist.“
Wir sollten ihn wohl eher Ungeist nennen, entsprechend jenem baaelschen Ungeist, welcher seit Beginn der Neuzeit in Europa mit der Einführung des ewigen Pfennigs zu herrschen begann. Da wird es an der Zeit, das ein neuer Geist Einzug im Lande hält.

Nach Keynes sollte der Staat, wenn die private Investitionsnachfrage zurück geht mit stattlichen Investitionen einspringen, sich verschulden. In Zeiten der Konjunktur könne er dann ja die Schulden wieder abbauen.
Dies funktioniert allerdings nur der 1. Phase eines Währungszykluses. Gegen Ende eines solchen – und da sind wir jetzt mittendrin – werden die Krisenabgründe immer tiefer und die Konjunkturwellen immer niedriger. Und die Verschuldung wird unumkehrbar, bis zum Zusammenbruch. Da hilft auch keine Schuldenbremse mehr.
Keynes selbst zeigte aber auch einen Weg aus diesem Dilemma, in dem er auf die Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells verwies. Wenn Peter Bofinger jetzt fordert: „Ja, wir müssten endlich den Mut haben, den Konstruktionsfehler des Euro zu beseitigen“ können wir HUMANwirtschaftler ihm nur zustimmen. Aber nicht nur den Fehler im Euro müssen wir beseitigen (und da sieht Bofinger einen anderen), sondern den Grundfehler in allem, was wir heute als Währungen bezeichnen. Wir müssen weg von der Umlaufsicherung Zins und Zinseszins. Wir brauchen endlich eine konstrucktive Umlaufsicherung, welche es auch ermöglicht, das der Zinzfuß ins negative gehen kann. Dies würde ein Ende des unkontrolierten Anwachsens der Geldmenge bedeuten und damit auch ende des Verschuldungszwanges.
Dann könnte der sparsame Sachse sich wirklich freuen, und die Parteien sich die Verfassungsänderung ersparen.

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