29. März 2024

Die Exekutive vernichtet den Rechtstaat

Mit Blick auf Europa und den Lobbyismus in unserem Lande (Adamek: Der gekaufte Staat ) registrieren wir nicht nur ein Demokratiedefizit.
Die Justizverwaltungen, die der zweiten Gewalt unseres Staates zuzurechnen sind, erodieren in einem schleichenden Prozess die dritte Gewalt (Justiz) und
damit ein Fundament des demokratischen Rechtstaates.
Die mangelnde Sensibilität der öffentlichen Medien für diesen Befund mag damit zusammenhängen, dass  Rechtserkenntnis in einem Dschungel von Gesetzen und Richterrecht mitunter eine  schwierige Materie ist,
und wenig populär erscheint. Mit Gerichten will man so wenig zu tun haben wir nur möglich. Das alles erscheint dunkel und suspekt und Recht hat ohnehin jeder in der meinungspluralen Gesellschaft.
Es zählt letztlich die  öffentliche Meinung, wie sie von der Presse gestaltet und rasch vor dem Karren der eigenen Profilierung und politischen Absichten gespannt wird.
Urteile der Justiz sind hier allenfalls nur eine Randnotiz wert, da sie nicht zu beeinflussen sind. Es sind Rechtserkenntnisse und eben keine diskutablen Meinungsäußerungen von Damen und Herren in dunkler Kleidung .
Die Unabhängigkeit der Justiz beruht auf der weisen durch die  französischen Revolution gewonnene Einsicht , dass die vom Volk gewählte Regierung (Exekutive)  daran  gehindert werden muss, ihre Macht durch scheinbare politische Sachzwänge
so auszuweiten, dass sie nicht mehr kontrollierbar ist.  (John Locke und Montesquieu – Vom Geist der Gesetze, 1748) Mehrheitlich vom Parlament beschlossenen Gesetze sind eine Sache. Aber diese Gesetze beinhalten oft Globalermächtigungen, die es der zweiten Gewalt ermöglichen, sie inhaltlich auszugestalten und ihre Durchsetzung zu regeln, mehr oder weniger effektiv, oder, was heute vielfach geschieht, nach Maßgabe  ökonomischer und der Betriebswirtschaftslehre entlehnter „Rentabilitätsgrundsätzen“.
Dies ist  ein Widerspruch in sich selbst,  denn ein öffentliches und rechtlich verfasstes Gemeinwesen ist keine Firma, oder ein Wirtschaftsbetrieb der der Profitmaximierung unterliegt.  Um welchen Profit geht es hier, dem Profit des Steuerzahlers oder dem Profit von Ressorministern, die ihn zur Selbstdarstellung ihrer Politik nutzen möchten.
Jeder der einmal Maßnahmen zur Eingliederung nach dem SGB III für sich beansprucht hat , hat sicher schon erkannt,  dass diese Ansprüche nur im Rahmen des zur Verfügung gestellten Budgets umgesetzt werden. Das nehmen wir schon als Selbstverständlichkeit hin. Ist das Budget angeblich erschöpft, werden Anträge abgelehnt oder mit verwässernden Auflagen so in die Länge gezogen, dass sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen können.
Davon war dann im Gesetz selbst nichts zu lesen. Es handelt sich um ein selbst geschaffenes Binnenrecht der Verwaltung (Exekutive) mit sachfremden (neoliberalen) Implikationen aus der kapitalistischen Marktwirtschaft, die jenseits der Wirtschaft zum
allgemeinen Prinzip erhoben scheinen.  Dazu findet sich im Grundgesetz keine Aussage.
Die Exekutive hat,  kaum wahrgenommen  von der Öffentlichkeit,  längst zum „zweiten Schlag“ gegen den Rechtstaat ausgeholt und zwar durch die Methode  der Ressourcenverknappung. Stellen werden gestrichen, Gerichte geschlossen, die Bearbeitungszeit pro Akte minimiert, so dass eine intensive Beschäftigung mit den Akteninhalten in  Großverfahren nicht mehr möglich ist. Die durchschnittliche Arbeitszeit von Richtern steigt auf 80 Std. pro Woche (!)  Der Anteil der Rechtspflegekosten an dem Bruttosozialprodukt der Bundesländer  schrumpft auf 2% (vor 8 Jahren noch 4-5%)  . Die unerledigten Fälle im Lande Berlin stiegen im Jahr 2016 auf die Zahl von 100.000 Fälle, die bei normaler Justizbesetzung nicht mehr abgearbeitet werden können, also von Jahr zu Jahr weitergeschoben werden. Neue Fälle kommen hinzu.  In Schleswig-Holstein ist die Zeit für eine für eine Anhörung psychisch kranker in Betreuungsverfahren einschließlich von Fahrzeiten (durchschnittlich 80 km) auf 103 Minuten reduziert worden.
Die Kosten der Justizpflege pro Einwohner liegen in Deutschland im Ranking eine Stelle über Bulgarien und Albanien und erfüllen damit nicht mehr den europäischen Standard.
In Deutschland braucht es keinen Erdogan, um den Rechtstaat abzuschaffen –  die Methoden sind subtiler !
Der Landesverband Berlin-Brandenburg wird sich in der Zukunft schwerpunktmäßig mit diesem Problem befassen und die  Politik durch Anfragen, Eingaben und veröffentlichte Kritik zu einer Verbesserung der Verhältnisse zwingen.
Hartwig Meyer
Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, dass sie kein Geld haben”, Kurt Tucholsky

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