Beitrag übernommen von „Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V.„
Wie bei der ARD Fakten verschwinden oder neu erfunden werden. Das Beispiel Pascal Siggelkow und das Russische Haus.
Beitrag von Mirko Jähnert
Zugegeben, die Überschrift ist nicht meine Idee. Dirk Pohlmann hatte diese Redewendung in einer Sendung von „Das 3. Jahrtausend“ genutzt. Möglicherweise ging es damals schon um Pascal Siggelkow, einen ARD-Faktenchecker. Berühmt wurde dieser, als er versuchte, die Recherche von Seymour Hersh zur Sprengung der Nordstream-Pipelines zu diskreditieren, und dabei fachlich sowie an der englischen Sprache scheiterte.
Das neue Werk dieses „Faktenfinders“ zum Russischen Haus in Berlin strotzt nur so vor Fehlern und bewussten Täuschungen der Leser. Ich habe 2023 einen Artikel zum Thema geschrieben, nachdem ich mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen hatte. Deshalb habe ich mir nun den Artikel genau angeschaut.
Schon zu Beginn lässt Siggelkow eine entscheidende Information weg, nämlich die Grundlage der Arbeit des Russischen Hauses in Berlin. Man erfährt nicht, dass es dafür einen Vertrag zwischen den Regierungen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland gibt. In diesem Vertrag aus dem Jahr 2011 sind die Tätigkeiten der jeweiligen Kultur- und Informationszentren geregelt. So wie die Russische Föderation das Russische Haus in Berlin betreibt, unterhält Deutschland in Russland die Goethe-Institute. Nichts davon erfährt man bei Siggelkow.
Stattdessen geht es so los: „So sorgte zum Beispiel eine Filmveranstaltung im hauseigenen Kino für Aufregung: Gezeigt wurde ein Holocaust-Film, in dem Ukrainer als Nazis dargestellt werden – auch mit Blick auf die heutige Zeit.“ Es geht dabei um diese eine Aussage in dem Film: „Es ist so, als ob der Nazismus nicht besiegt wurde. Es gibt Menschen, die den Nazismus wiederbeleben. Sie sind hier. Alles, was in der Ukraine passiert oder in Europa, ist beängstigend.“ Ist dieser Satz nun russische Propaganda oder ein Kreml-„Narrativ“, wie Siggelkow schreibt? Dass Stepan Bandera, ein radikaler Nationalist und Faschist, heute Heldenstatus in der Ukraine genießt (ihm sind Straßen und Denkmäler gewidmet), erfährt man im Faktencheck nicht. Auch ist keine Rede davon, dass man in Kiew gern der Gründung der Waffen-SS-Division Galizien gedenkt, Hitlergruß inklusive. Auch im Krieg gegen Russland konnte man schon Fotos von ukrainischen Soldaten mit entsprechenden Symbolen an Helm oder Uniform wahrnehmen.
Weiter beschwert sich Siggelkow darüber, dass im Russischen Haus eine Filmreihe einem Regisseur gewidmet wurde, der Gegnern des Präsidenten mit dem Konzentrationslager drohte. Leider befindet sich der verlinkte Artikel der Süddeutschen Zeitung hinter einer Bezahlschranke, so dass ich dem nicht nachgehen konnte. Aber sagt Ihnen der Name Serhij Zhadan was? Zhadan ist ukrainischer Schriftsteller und hat das Buch „Himmel über Charkiw“ geschrieben. Darin bezeichnet er Russen als Tiere und Unrat. Zhadan weiter: „Brennt in der Hölle, ihr Schweine.“ Serhij Zhadan hat übrigens für solch literarisch wertvolle Äußerungen 2022 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen.
Nun erwacht in Pascal Siggelkow der investigative Journalist. Er deckt auf, dass das Russische Haus gar nicht unpolitisch sein kann, weil es zur russischen Regierungsagentur Rossotrudnitschestwo gehört, die an das russische Außenministerium angedockt ist. Na Wahnsinn, Schachmatt! Nur dumm, dass das zum einen in dem oben genannten Vertrag zwischen Russland und Deutschland steht und zum anderen mit den Goethe-Instituten, die Deutschland in Russland betreibt, nicht anders ist. Diese arbeiten nämlich auf Grundlage eines Rahmenvertrages mit dem Auswärtigen Amt. Ministerin Annalena Baerbock hat ja bekanntlich Russland zwischendurch mal eben den Krieg erklärt.
Aber es wird noch besser bei Siggelkow: „In Telegram-Beiträgen von Rossotrudnitschestwo werde ein Narrativ konstruiert, in dem der Eindruck erweckt wird, die Bewohner in den besetzten Gebieten litten unter der militärischen Aggression der ukrainischen Streitkräfte.“ Bestreitet Siggelkow ernsthaft, dass die ukrainische Armee seit 2014 Zivilisten im Donbas beschossen hat? Gnadenlos deckt er auf, dass Rossotrudnitschestwo prorussische Kundgebungen in anderen Ländern organisiert. Was auch immer er mit „pro-russisch“ meint: Auch das ist durch den Vertrag gedeckt, der besagt, dass die Zentren „Veranstaltungen kultureller, pädagogischer und wissenschaftlicher Art für eigene Landsleute“ durchführen können oder auch Informationsveranstaltungen für interessierte Bürger von Drittländern.
Für den zweiten Teil des Artikels holt sich Pascal Siggelkow eine Fürsprecherin ins Boot – Kateryna Rietz-Rakul, Leiterin des Ukrainischen Instituts in Deutschland. Dass der Faktencheck irgendwie objektiv sein kann, hat sich spätestens hier erledigt. Diese Dame wird dann auch so zitiert: „Der Einfluss des Russischen Hauses sei dabei nicht zu unterschätzen, sagt Rietz-Rakul. Denn neben Bücherladen, Kino und Theater gebe es sogenannte Mieterorganisationen, die auch russische Kindergärten und Schulen betrieben. Das ist eine wahnsinnig mächtige Organisation, die schon im Kindergartenalter Einfluss nimmt.“ Russische Kindergärten und Schulen, was erlaubt sich dieser Putin eigentlich? Könnte es sein, dass es irgendwie mit den knapp 260.000 russischen Staatsbürgern zusammenhängt, die in Deutschland leben?
Das Ukrainische Institut in Berlin. Schauen wir doch mal dort näher hin. Ein Kind des Außenministeriums, okay. Hier musste ich spontan lachen. Auf der Internetseite erfährt man mehr über die Partner, unter anderem das Auswärtige Amt (!) und die Open Society Foundations des Milliardärs George Soros, der wiederum Gönner von Correctiv ist und mit seinem Geld die politische Landschaft Osteuropas gestalten möchte. Weiter: „Das Ukrainische Institut betreibt keine Propaganda.“ Und ein paar Sätze später erfährt man, dass das Institut unter anderem mit dem Zentrum Liberale Moderne zusammenarbeitet, das von der Bundesregierung mit Millionenbeträgen finanziert wird, wie Florian Warweg von den Nachdenkseiten darlegte.
Auch was Veranstaltungen angeht, die ja beim Betreiber des Russischen Hauses moniert werden, zeigt sich das Ukrainische Institut selbst wenig zurückhaltend. So organisierte man die Konferenz „Truth to Justice“ zusammen mit dem Verein „Vitsche e.V.“, der Auftritte russischer Künstler wie Anna Netrebko canceln möchte.
Die Leiterin des Ukrainischen Instituts in Deutschland ist, wie gesagt, Kateryna Rietz-Rakul. In einem Gespräch mit der Berliner Zeitung zum 8. Mai findet sie die russischen Kriegsdenkmäler in Berlin „schwierig“. Mehr von ihrer inneren Einstellung gab sie im September 2022 der Deutschen Welle preis. Damals ging es um die Frage, ob Deutschland russische Kriegsdienstverweigerer aufnehmen soll. Rietz-Rakul: „Das sind ja keine Oppositionellen oder Dissidenten. Sie wollen nur nicht das eigene Leben riskieren. Mit der russischen Politik hatten sie bis vor ein paar Tagen kein Problem, und jetzt sind sie aufgewacht. Aber es ist nicht Aufgabe des Westens, diese Menschen zu schützen.“ Ich empfinde das als menschenverachtend. Und diese Dame darf in Siggelkows Faktencheck behaupten: „Russland instrumentalisiert weiterhin aktiv die Kultur, um außenpolitische Ziele zu erreichen und den neokolonialen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen“.
Es bleibt die Erkenntnis: Wenn Faktenchecker Fakten checken, falten Zitronenfalter auch Zitronen.
Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.