27. Juli 2025

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Gesucht wird der Geist von Silvio Gesell

Silvio Gesell geboren am 17.März.1862 in Sankt Vith (Rheinprovinz)

Verstorben am 11.März.1930 in Oranienburg.

Beruf: Kaufmann, Finanztheoretiker, Sozialreformer und Begründer der Freiwirtschaftslehre.

1891 veröffentlichte Gesell seine erste währungstheoretische Schrift: Die Reformation des Münzwesens als Brücke zum sozialen Staat. Es folgten Nervus rerum und Die Verstaatlichung des Geldes.

In seinem Buch „Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“, das 1916 im Selbstverlag erschien, stellte Gesell seine Theorie vor. Dieses Werk ist bis heute wesentliche Grundlage der Freiwirtschaftslehre. Silvio Gesell vertrat eine weltbürgerliche Einstellung. Nach seiner Überzeugung sollte die Erde allen Menschen gleichermaßen gehören, ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Stand, Vermögen, Religion, Alter oder Leistungsfähigkeit. Landesgrenzen müssten überflüssig werden.

Gesell baute seine volkswirtschaftlichen Überlegungen auf den Eigennutz des Menschen als gesundem, natürlichem Antrieb, der es ihm erlaube, seine Bedürfnisse zu verfolgen und wirtschaftlich tätig zu sein. Dieser Gegebenheit müsse auch eine Wirtschaftsordnung gerecht werden, sonst sei sie zum Scheitern verurteilt. Deshalb nannte Gesell die von ihm entworfene Wirtschaftsordnung „natürlich“. Mit dieser Haltung stellte er sich bewusst in Gegensatz zu Karl Marx, der eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse forderte.

In Berücksichtigung des Eigennutzes trat Gesell ein für freien, fairen Wettbewerb mit gleichen Chancen für alle. Dazu gehörte für ihn der Abbau aller ererbten und gesetzlichen Vorrechte. Jeder sollte einzig seine persönlichen Fähigkeiten einsetzen, damit aber auch sein Auskommen finden können. In der von ihm angestrebten „natürlichen Wirtschaftsordnung“ würde der freie Wettbewerb den Begabtesten gerechterweise das höchste Einkommen sichern, ohne Verfälschung durch Zins und Bodenrente. Ebenso würde sie den weniger Befähigten ein ausreichendes Auskommen gewähren, weil ihnen keine Abgaben für Zins und Bodenrente auferlegt sein würden. Ein gerechter Ausgleich von Arm und Reich wäre möglich. Daneben stünden für die Unterstützung von Bedürftigen genügend Mittel zur Verfügung, weil das erhöhte Durchschnittseinkommen jedem erlaube, für sie das Nötige aufzuwenden.

Beobachtungen in Argentinien

Nach dem Sturz des Diktators Juan Manuel de Rosas trat 1853 eine liberale Verfassung in Kraft, die das Land auch für Einwanderer öffnete. Die Wirtschaft begann zu blühen, Schafwolle wurde zum wichtigsten Exportartikel. Ein Rückgang der Weltkonjunktur Mitte der 1870er Jahre und die Einführung einer goldgedeckten Währung führte um 1890 zu einer Wirtschaftskrise. Die exportorientierte Wirtschaft wurde durch die Golddeckungsvorschriften gefesselt. Es entwickelten sich die typischen Zeichen einer deflationären Abwärtsspirale: Abnehmende Geldmenge → Sinkende Löhne → Geldhortung (Konsumrückgang) → Absatzrückgang → Unternehmenspleiten → Massenentlassungen → Massenarbeitslosigkeit.

Der Versuch, durch Ausweitung der Geldmenge den sinkenden Preisen und dem steigenden Geldwert gegenzusteuern, scheiterte, weil die Menschen auch das neue Geld horteten. Das Warenangebot blieb überhöht, die Preise sanken wieder schnell auf das alte Niveau. Langfristige Preiserhöhungen hätten das Sparen unattraktiver gemacht, dadurch die Menschen zu mehr Konsum getrieben, und die heimische Wirtschaft wieder angekurbelt.

Nach Gesells These ist eine gleichmäßige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes für eine krisenfreie Wirtschaft von hoher Bedeutung. Gesell forderte, dass Geld der Wirtschaft nur als Tauschmittel dienen, sie aber nicht als Hortungsmittel lähmen darf. Da das Geld im Gegensatz zu Waren und menschlicher Arbeitskraft weder „rostet“ noch „verdirbt“, könne ein Geldbesitzer sein Geld nach Gesells Auffassung ohne Nachteil zurückhalten, also „horten“. Er könne warten, bis die Waren für ihn billig oder die Zinsen hoch genug seien. Mit dieser spekulativen Verschiebung seines Konsumwunsches störe er den Wirtschaftskreislauf. Händler würden so gezwungen, ihre Preise zu senken. In der Folge müssten sie ihre Kosten durch Kredite decken. Diesen Bedarf lässt sich der Geldbesitzer nach Gesells Vorstellungen durch den Zins belohnen, ein Einkommen, für das er keine Leistung erbringe. Die Zinseinnahme verleihe er erneut, so dass seine Zinseinnahmen ständig wüchsen (Akkumulation). So würden nach Gesell „leistungslos“ Reichtümer dort angehäuft, wo sie nicht benötigt werden. Im Gegenzug dazu würde der arbeitenden Bevölkerung der ihr zustehende volle Arbeitsertrag vorenthalten.

Durch die Marktüberlegenheit des Geldbesitzers sah Gesell das freie Kräftespiel zwischen Verkäufer und Käufer grundlegend gestört. Daraus zog er den Schluss, Geld solle in seinem Wesen der Natur entsprechen und natürlichen Dingen nachgebildet werden. Das Geld in der Hand eines Geldbesitzers müsse wie menschliche Arbeitskraft und Waren mit der Zeit an Wert einbüßen; dann habe es auf dem Markt keine Vormachtstellung mehr. Geld wäre einem ständigen Weitergabedruck unterstellt. Jeder Geldbesitzer werde sein Geld nicht zu lange zurückhalten, sondern damit Waren oder Dienstleistungen kaufen, laufende Rechnungen begleichen oder es ohne Zinsforderung verleihen, um so der Wertminderung zu entgehen. So wirke Geld als Diener des Menschen und nicht als dessen Herrscher.

Freigeld

Dieses Geld nannte Gesell „Freigeld“. Es wird auch als umlaufgesichertes Geld bezeichnet oder – mit dem von Otto Heyn geprägten Begriff– Schwundgeld genannt.

Am Ende des Ersten Weltkriegs sagte Gesell aufgrund seiner Konjunkturtheorie einen noch furchtbareren Krieg voraus für den Fall, dass die Zinswirtschaft beibehalten würde:

„Trotz des heiligen Versprechens der Völker, den Krieg für alle Zeiten zu ächten, trotz der Rufe der Millionen: »Nie wieder Krieg!«, entgegen all den Hoffnungen auf eine schöne Zukunft, muss ich sagen: wenn das heutige Geldsystem, die Zinswirtschaft, beibehalten wird, so wage ich es, heute zu behaupten, dass es keine 25 Jahre dauern wird, bis wir vor einem neuen, noch furchtbareren Krieg stehen!“

Oberstes Ziel Gesells war eine Wirtschaft ohne störende Konjunkturschwankungen und eine gerechte soziale Ordnung. Im Hinblick darauf forderte Silvio Gesell auch einen stabilen Geldwert, verbunden mit freien Wechselkursen und Aufhebung der Golddeckung. Dies bedeutet die Lösung der Geldmenge von den Goldvorräten der Zentralbanken wie auch die Aufhebung ihrer Einlösungspflicht von Geld gegen Gold.

Bodenreform

Gesell kritisierte am Bodenrecht die Möglichkeit, leistungslose Einkommen zu beziehen, weil die Bodeneigentümer von ihren Pächtern Bodenrente verlangen. Darüber hinaus würden Großgeldbesitzer, denen leistungslose Einkommen aus Zinsen nach der Einführung von Freigeld beschnitten seien, auf den Aufkauf von Grundstücken ausweichen. Dadurch würden die Grundstückspreise in unermessliche Höhen klettern, sehr zum Nachteil aller Übrigen, weil jeder Mensch zum Leben und Arbeiten auf Boden angewiesen sei.

Um auch hier Abhilfe zu schaffen, forderte Gesell, den Boden gegen Entschädigung in öffentliches Eigentum zu überführen, ihn zugleich aber seinen bisherigen Eigentümern gegen Entrichtung einer ständig wiederkehrenden Nutzungsabgabe an den Staat weiterhin zur Nutzung zu überlassen. Die darauf errichteten Gebäude und sonstigen Einrichtungen blieben hingegen weiterhin Privateigentum. Damit würde die Bodenrente der Allgemeinheit zufließen. Handel und Spekulation mit Boden wären unmöglich. Die Höhe der Abgabe solle für jedes Grundstück gesondert in einem Meistbietungsverfahren ermittelt und von Zeit zu Zeit veränderten Verhältnissen angepasst werden. Solchen Boden nannte Gesell „Freiland“.

Bei diesen Überlegungen ging Gesell davon aus, dass Boden ein Produkt der Natur und nicht des Menschen ist. Die Erde sollte allen Menschen gleichermaßen gehören. Deshalb durfte es für Gesell an Boden kein privates Eigentum geben, im Gegensatz zu den darauf bestehenden Einrichtungen. Eigentum an Boden sollte allein dem Staat zustehen.

Die Einkünfte des Staates aus den laufenden Bodennutzungsabgaben wollte Gesell in voller Höhe als Mutterrente an die Mütter verteilt haben gemäß der Zahl ihrer Kinder. Gesell glaubte, der Wert des Bodens und damit die Bodenrente stiegen mit zunehmender Zahl der Bewohner eines Landes und damit zunehmender Nachfrage nach Boden. Mit der Mutterrente verfolgte Gesell das Ziel, Frauen von Männern wirtschaftlich unabhängig zu machen, damit sie aus Liebe und nicht um der Versorgung willen einen Mann heirateten.

Internationale Wahrnehmung

Der Brite John Maynard Keynes, der zu den bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts gehört, widmete in seinem 1936 erschienenen Buch Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes Silvio Gesell und dessen Freiwirtschaftslehre ein ganzes Kapitel. Er stellte dort Gesell zunächst als einen „seltsamen“, aber „zu Unrecht übersehenen Propheten“ vor, setzte sich dann vor allem kritisch mit der Gesellschen Zinslehre auseinander und resümierte, „daß die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.“ Der „hinter dem Stempelgeld liegende Gedanke“ sei – so Keynes –„gesund“.

Auch die griechische Finanzkrise 2015 veranlasste Fachleute, zu denen der britische Wirtschaftshistoriker und Keynes-Biograph Robert Skidelsky gehörte, auf Gesells Freigeld als Lösungsmöglichkeit hinzuweisen. Stanley Fischer, Vizepräsident der US-amerikanischen Zentralbank FED, erwähnte in seiner Rede Monetary Policy, Financial Stability, and the Zero Lower Bound am 3. Januar 2016 Silvio Gesell als einen der Vordenker negativer Zinsen.

Von Silvio Gesell über Franz Oppenheimer zu Ludwig Erhard

Von 1907 bis zu seinem Tod im Jahr 1930 lebte Silvio Gesell mit Unterbrechungen in der Obstbaugenossenschaft Eden bei Oranienburg.

Mitbegründer dieser Obstbaugenossenschaft war Franz Oppenheimer.

Oppenheimer zählt zu den Vordenkern der Sozialen Marktwirtschaft. Zu seinen Schülern zählten Ludwig Erhard und Walter Eucken. Auch Franz Böhm und Alexander Rüstow gehörten zu Oppenheimers Diskussionskreis. Anders als Oppenheimer konnte sich Ludwig Erhard eine Wirtschaft ohne Privateigentum nicht vorstellen. Doch von den Werten des „sozialen Liberalismus“ Erhards, des Wettbewerbs, der sozialen Verantwortung, des Kampfes gegen Kartelle und Monopole, des Abbaus von Handelsschranken, des freien Geld- und Kapitalverkehrs und die Vorstellung von einem vereinten Europa (dem „Europa der Freien und Gleichen“) lässt sich einiges auf den Einfluss Oppenheimers zurückführen. Ludwig Erhard erklärte in einer Gedenkrede (1964):

„Etwas hat mich so tief beeindruckt, daß es für mich unverlierbar ist, nämlich die Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit. Er erkannte den »Kapitalismus« als das Prinzip, das zur Ungleichheit führt, ja das die Ungleichheit geradezu statuiert, obwohl ihm gewiß nichts ferner lag als eine öde Gleichmacherei. Auf der anderen Seite verabscheute er den Kommunismus, weil er zwangsläufig zur Unfreiheit führt. Es müsse einen Weg geben – einen dritten Weg -, der eine glückliche Synthese, einen Ausweg bedeutet. Ich habe es, fast seinem Auftrag gemäß, versucht, in der Sozialen Marktwirtschaft versucht, einen nicht sentimentalen, sondern einen realistischen Weg aufzuzeigen.“

– Ludwig Erhard: Franz Oppenheimer, dem Lehrer und Freund

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