Erklärung zur Aufklärung:
Das Thema „Zinsproblem“ ist ein zentraler Streitpunkt in der Geldsystemkritik. Es geht dabei nicht nur um die Höhe von Zinsen, sondern um die strukturellen Folgen von Zinsmechanismen im Wirtschaftssystem: exponentielles Wachstum, Umverteilung von unten nach oben, Schuldenabhängigkeit und Krisenanfälligkeit. Doch nicht alle Geldsysteme sehen Zinsen gleich – und nicht alle bieten Lösungen.
Ein Überblick:
1. Klassische Ökonomie (mit gedecktem oder ungedecktem Geld) (Liberalismus, Neoliberalismus, Neoklassik)
In der klassischen Ökonomie – ob mit Golddeckung oder sogenannten Fiatgeld – gelten Zinsen als Preis für das Leihen von Geld – Kapital. Sie seinen notwendig für Investitionen und Sparanreize. Das Zinsproblem wird hier kaum thematisiert, sondern als funktionaler Bestandteil des Marktes betrachtet. Die Kritik an Zinseszins und exponentiellem Wachstum wird meist als „außerhalb der ökonomischen Rationalität“ abgetan.
Lösung? Keine systemische Lösung – höchstens über Zentralbankpolitik (Leitzinsen) oder Regulierung. Lediglich nur die Zinshöhe wird thematisiert, ein Problem wird nicht erkannt.
2. Vollgeldsystem
Das Vollgeldkonzept (z. B. von der Schweizer Vollgeld-Initiative) will die Geldschöpfung ausschließlich in die Hände der Zentralbank legen. Geschäftsbanken dürften kein Giralgeld per Kredit mehr erzeugen. Das Zinsproblem wird hier indirekt adressiert: Da die Geldschöpfung nicht mehr kreditbasiert erfolgt, entfällt geringfügig der Wachstumsdruck durch Zinseszins.
Lösung? Teilweise – durch Entkopplung von Geldschöpfung und Kreditvergabe wird das System angeblich stabiler, aber Zinsen bleiben als Preis für den Verleiht von Geld erhalten. Lediglich die Geldmenge spielt hier eine Rolle, aber nicht der Zins und dessen Probleme.
3. Modern Monetary Theory (MMT)
Die MMT sieht Zinsen primär als Steuerungsinstrument der Zentralbank, nicht als notwendiges Marktphänomen. Staaten mit eigener Währung können unbegrenzt Geld schöpfen und sollten sich nicht über Zinsen refinanzieren oder diese als Belastung für den Staatshaushalt zahlen müssen, sondern sich über Steuern refinanzieren. Das Zinsproblem wird hier als politisch steuerbar betrachtet – nicht als systemisches Problem.
Lösung? Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen: Souveräne Staaten können Zinsen niedrig halten oder abschaffen – jedoch bleibt die Frage der privaten Verschuldung offen. Keine systemische Lösung des Zinsproblems.
4. Freiwirtschaft nach Silvio Gesell
Die Freiwirtschaft ist das einzige System, das das Zinsproblem direkt und radikal thematisiert. Gesell sah die aus der Hortung von Geld resultierenden Zinsen als Ursache für Ungleichheit und Krisen. Seine Lösung: „Freigeld“ mit Umlaufsicherung (z. B. durch eine Haltegebühr), das keine Hortung erlaubt und somit keinen Zins als Anreiz braucht um umzulaufen. Geld – Kapital soll durch Investition und Arbeit belohnt werden, nicht durch bloßes Besitzen.
Lösung? Ja – durch Überwindung des Zinses als strukturelles Element und Einführung eines umlaufgesicherten Geldes. Zinsen dienen hier lediglich als Risikoentschädigung, stellen jedoch kein systemischen Problem mehr da.
Fazit
Das Zinsproblem wird in der klassischen Ökonomie ignoriert, in der MMT und im Vollgeldsystem teilweise adressiert – und in der Freiwirtschaft vollständig thematisiert und gelöst. Wer sich mit alternativen Geldsystemen beschäftigt, kommt um die Frage des Zinses nicht herum. Denn sie entscheidet mit darüber, ob ein System auf Dauer stabil, gerecht und nachhaltig sein kann.


