Ein Beitrag von Uwe Habricht, Berlin, Mai 2021
Zurzeit passiert etwas sehr Interessantes auf gesellschaftlicher und vielmehr auch auf psychologischer Ebene. Unsere natürliche Wahrnehmung wird korrumpiert. Wir dürfen unserer eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen. Stattdessen werden wir zu technologischen Hybridwesen, die nur noch mit Hilfe von medizinischen Technologien darüber informiert werden, ob wir krank sind und ob und wann wir für uns und andere eine „Gefahr“ darstellen. Die Beweislast wird entsprechend umgekehrt: Du musst nun beweisen, dass du „keine InfektionsGefahr“ für deinen Mitmenschen bist – ohne Beweis (Testergebnis) bist du a priori eine Gefahr! So wird das soziale Vertrauen zerstört, auf dessen Grundlage unser Miteinander eigentlich funktioniert.
Deine Wahrnehmung ist „mangelhaft“, sie reicht nicht mehr aus in einer Welt der totalen „hygienischen Menschenoptimierung“! So wird es uns tagtäglich „eingeimpft“!
Wir haben uns verrannt im totalen Sicherheitsdenken und wissen mit den Risiken des Lebens nicht mehr umzugehen, außer nach Sicherheit und Kontrolle zu rufen. Wir haben verlernt, uns unserer Unsicherheit und Angst zu stellen und mit ihr umzugehen. Und damit verlieren wir unsere Lebendigkeit – das Leben wird zum Götze, auf das man „Acht geben muss“. Angst wird so permanent abgewehrt. Wir wollen uns sicher fühlen, nur das zählt noch. Wir haben gelernt, die Realität und ihr Gefahrenpotenzial in Zahlen zu konsumieren. Das Risiko des echten Lebens macht uns Angst – die wollen wir nicht! Das Leben ist nur perfekt ohne Angst! Und am besten gleich ohne Krankheit, Tod und Sterben. Wir sind schließlich „modern“.
Damit diese Umprogrammierung der menschlichen Psyche funktioniert, wird politisch mit Angst gearbeitet und diese potenziert. Angst ist und war immer schon das Mittel zur Schaffung eines gleichgerichteten Wahrnehmungs- und Meinungskorridors. Übrigens auch die Erschaffung von „Bedrohungen“, „Feindbildern“ und die gleichzeitige Inszenierung hybrider und unreflektierter Kontrollphantasien.
Aber: Das Leben ist nicht total sicher. Diese Tatsache kann als gesicherte Erkenntnis gelten! So ist der Ruf nach totaler Sicherheit ein Ruf gegen das Leben. Wir müssen zum ausgewogenen Verhältnis zwischen unserem Sicherheitsbedürfnis und dem Wagnis des Lebens finden, nur so ist und bleibt das Leben lebendig und lebenswert.
Nun werden mit alten polarisierenden binären Denk- und Gesinnungsschablonen die Menschen verunsichert, werden Menschen und Meinungen abgeurteilt und diffamiert. Und so verhindert diese Polarisierung den ehrlichen und demokratischen Diskurs über Inhalte, Fakten und Fragen.
Unsere Gesellschaft ist derzeit gespalten und durch-ideologisiert wie noch nie. Und genau dieser Umstand, dass zurzeit „Bessere“ über „Schlechtere“ urteilen und Andere pauschal ausgrenzen, ist ein Zeichen von fehlender Demokratie und von Meinungsdiktatur! Es läuft eine „angesagte“ Feindbildproduktion im eigenen Land, die politisch angeheizt wird. In diesem Klima verlieren wir jedes Maß und jede Verhältnismäßigkeit.
Derzeit beobachte ich, wie die „Besseren“ die „Schlechteren“ diffamieren – mit gutem Gewissen. Aber nicht etwa mit besseren Informationen oder weil sie es besser wüssten, sondern lediglich aus einer unreflektierten Selbstgerechtigkeit heraus, weil sie sich im festgelegten Meinungskorridor der erlaubten Meinungen bewegen. Dieser unterlagen Menschen zu allen dunklen Zeiten in der Geschichte, in denen sie grausam mit den „Anderen, Schlechten, Ausgrenzungswürdigen“ umgingen; Menschen pauschal als Feindbild identifizierten und abstempelten. So muss man (als der „Gute“) die eigene Komfortzone nicht verlassen und die eigene Sicht nicht „unbequem“ hinterfragen“.
Dass Maßnahmen der Regierung nicht hinterfragt werden dürfen, ist Indiz für diktatorische Tendenzen. Dieser Umstand wird aber so hartnäckig umgedeutet, dass einem schlecht wird: Einige Selbst-Berufende predigen die „Wahrheit“ und berufen sich in ihrem apodiktischen Wahrheitsmonopol auf die Demokratie. Damit wird Demokratie zu einer Ideologie, zu einem Fetisch, zu einem Götze, die angebetet wird, ohne dass sie wirklich gelebt wird.
Ich erlebe die gegenwärtige Medien-Propaganda, in der es nur noch um angeblich Infizierte, Viren und Impfen als einzige Rettung geht, als modernen Krankheits-Kult.
Dies mit der nun immer mehr hervortretenden Wirkung, dass viele Menschen und vor allem Kinder und Jugendliche psychisch brechen und organisch und psychisch an den “fürsorglichen Maßnahmen” krank werden.
Solch eine übergriffige, erpresserische, manipulative und gewalttätige Aggression gegenüber den willig und gefügig zu machenden Opfern kannte ich bislang nur aus Horrorfilmen.
Was braucht es nun von uns Menschen? Wie mit dieser Tyrannei umgehen? Ich jedenfalls lasse allgemein keine Diffamierung von Menschen zu: Stigmatisierungen wie „Du bist rechts, links, Verschwörungstheoretiker, grün, blablabla“ sind alte Ausgrenzungsmuster und haben nie zu einem Dialog und zu Lösungen geführt!
Ich ziehe die Trennlinie woanders: Mich interessiert, wovor du Angst hast, wie du mit dieser Angst umgehst, was du denkst und warum du es denkst. Ob du gut informiert bist zu deiner Meinung, ob du ehrlich bist, ob du Fragen stellst, ob du offen bleibst für Informationen und dich den Fakten stellst (jenseits rigider Ideologien)!
Der „Kampf gegen rechts“ und wie die ideologischen Kämpfe alle heißen, macht eines ersichtlich: Ein Kampf gegen Menschen und Meinungen überwindet nichts, sondern hält den Status quo aufrecht. Er dauert ewig. Wir müssen endlich aus dem Kampfmodus „Mensch gegen Mensch“ heraus! Warum lassen wir uns diesen Kampf gegeneinander aufzwingen? Und wer hat ein Interesse am Gegeneinander? Warum denken wir, dass wir das “Böse” im Anderen bekämpfen müssen? Wer peitscht uns diesen Schwachsinn ein? Und von diesen “Autoritäten” lassen sich die meisten Menschen sagen, wer der “Gute” und wer der “Böse” ist.
Der Faschismus ist schlimm. Keine Frage! Niemand will ihn. Aber wir müssen uns auch fragen, wie er entsteht. Er entsteht aus dem Unbewussten, dem Land, das wir Menschen am wenigsten kennen, weil wir dahin unsere verborgenen Ängste und Ohnmachts-Erfahrungen verdrängt haben und uns ihnen nicht stellen. So verlagern wir das Thema „Sicherheit“ nach außen und geben die Verantwortung für unser Wohl an autoritäre Instanzen ab. Diese werden dann bevollmächtigt, uns die Welt stellvertretend zu deuten.
Überprüfe meine Worte. Auch die sind nur eine Meinung. Überprüfe sie mit deiner Vernunft und deiner ehrlichen Selbstwahrnehmung. Zeigt uns die Geschichte nicht längst: Wir überwinden Diktatur, Faschismus und Fanatismus nicht mit Kampf gegen Meinungen und Menschen. Denn das ist es ja, was wir vermeintlich überwinden wollen: Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft aus „Bösen“ und „Guten“, aus „Dazugehörenden“ und „Ausgegrenzten“.
Ergo: Wir überwinden Spaltung und Diskriminierung mit Dialog über Inhalte; ohne Stigmatisierung, Diffamierung und Bevormundung des Anderen oder Andersdenkenden! Dabei müssen wir nicht immer einer Meinung sein! Das ist es, was Pluralismus und Demokratie eigentlich bedeutet. Leben wir sie wieder, anstatt die Demokratie zum toten Götzen zu erheben und lediglich anzubeten.
Und seien wir ehrlich zu uns selbst. Was verlagern wir nach außen, projizieren wir auf andere, das wir in uns selbst nicht lösen können? Welchen Themen haben wir uns; hat sich jeder Einzelne zu stellen? Nur aus dieser gelebten Eigenverantwortung entsteht wieder Frieden unter den Menschen.
Alles andere heizt die Gewaltspirale und die Fragmentierung der Gesellschaft weiter an!
Cui bono?
Uwe Habricht
Soziologe, Erziehungswissenschaftler, Systemischer Therapeut
veröffentlichte u.a. in 1/2004 in der Zeitschrift HUMANwirtschaft den Beitrag “Die Angstabwehrgesellschaft” (in: Nr. 35, “Irrtum Wachstum”)
Sehr tiefgehende Sichtweise, dem ist nichts hinzuzufügen!
Endlich eine Betrachtung, die das Außen und das Innen zusammenführt.
Sie führt zur Verantwortung, weg von Projektionen…und somit zur Heilung- im erweitetem Sinne!
Marius