10. Mai 2024

Tabuthema Grexit – Dexit

Der indische Ökonom und Ex-IWF-Spitzenfunktionär Ashoka Mody meint:
Nach zahllosen Verhandlungen haben es die EU-Machthaber scheinbar geschafft: Einen Grexit, das zeigen die Gespräche für ein weiteres Hilfspaket, wird es nicht geben. Doch das sei ohnehin der falsche Weg.
Aus den Monaten der aufreibenden Verhandlungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen könne man nur einen Schluss ziehen, schreibt Mody in einem Gastbeitrag bei Bloomberg View am Freitag, und zwar, dass Länder mit derart unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen niemals eine gemeinsame Währung hätten einführen dürfen.
Mody ist ein entschiedener Gegner der Austeritätspolitik. Seiner Meinung nach hat Griechenland nichts bei den Verhandlungen gewonnen. Stattdessen werde das Land die gleiche ökonomische Sparpolitik verfolgen, die wiederholt nichts gegen die Probleme des hochverschuldeten Landes gebracht hat.
Mody warnt davor, dass die Gläubiger mit dem neuen Hilfspaket am Ende sogar weniger von ihrem Geld zurückbekommen, als dies bei weniger strengen Sparvorgaben und einem Schuldenschnitt der Fall sein könnte.
Deutschland hat den Exit enttabuisiert
Deutschland habe bei den jüngsten Verhandlungen Europa aber einen Gefallen getan – Schäubles Vorschlag zu einem “Grexit auf Zeit” habe, so Mody, das Thema eines Euro-Exits enttabuisiert.
Jahrelang, schreibt Mody, haben Politiker für den Euro als Symbol der europäischen Einheit geworben, obwohl der Cambridge-Professor Nicholas Kaldor 1971 – fast drei Jahrzehnte vor der Euro-Einführung – vor dessen fehlerhaften Ökonomie warnte. Nun haben die Euro-Finanzminister aber selbst eingesehen, dass es sinnvoll für ein Euro-Land sein könnte, den Währungsraum zu verlassen.
Neue D-Markt nützt allen – auch Deutschland
Warum also nicht Deutschland, fragt Mody. Verließe Griechenland den Euro, würden wahrscheinlich Portugal und Italien folgen. Deren Ersatzwährungen, prophezeit Mody, würden sich rapide entwerten, und diesen letztlich die Möglichkeit nehmen, ihre in Euro notierten Schulden zu bezahlen. Die ehemaligen Euro-Staaten würden reihenweise Pleite gehen.
Bei Deutschland sei es anders, sagt Mody. Die Rückkehr zur D-Mark würde den Euro rapide fallen lassen und der Euro-Peripherie Luft zum Atmen geben. Griechenland, Portugal und Italien haben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, seit der Euro-Einführung keinen Schritt nach vorne gemacht. Ein Euro ohne Deutschland würde ihre Wettbewerbsfähigkeit schlagartig erhöhen, zumal es dann denkbar wäre, dass auch andere Länder mit starker Wirtschaft, wie etwa die Niederlande oder Österreich, den Euro verlassen.
Der deutschen Außenwirtschaft – auch dem Export – würde eine D-Mark langfristig nutzen, meint Ökonom Mody.  
Für Deutschland würde sich mit einer neuen D-Mark kaum etwas ändern. Deutschland könnte mit seiner D-Mark schneller Schulden abtragen und mehr importieren – eine stärkere Nachfrage aus Deutschland sei ohnehin vom US-Schatzamt und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) gewünscht, schreibt Mody. Auch die Europäische Kommission kritisierte den immensen Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz bereits.
 
Eine D-Mark hieße natürlich ein schwierigeres Geschäft für deutsche Exporteure, merkt Mody an. Auch darin lasse sich aber etwas Gutes sehen: Deutschlands Wirtschaft baute schon immer auf hochqualitativen Produkten auf. Mit einer starken Währung hätten die deutschen Konzerne wieder einen Ansporn, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, um am Weltmarkt konkurrieren zu können, resümiert Mody.
Die Stricke Europas müssen gelockert werden
Der größte Nutzen eines “Dexits” wäre unterdessen dessen politische Bedeutung. Deutschland, so Mody, genießt zwar seine Vormachtsstellung in Europa, will die Kosten dafür aber nicht tragen. Unter der Fassade eines gutmütigen Moralapostels spiele Deutschland eine tyrannische Rolle und tue damit der Region einen Bärendienst, schreibt Mody.
 
Anstatt die Union zu stärken, droht die Hegemonialmacht Deutschlands, ihre sensible Struktur zu zerstören. Um einander nahe zu bleiben, rät Mody, sei es vielleicht nötig, dass die Länder Europas die die Stricke etwas lockern, die sie so eng zusammenbinden.
Quelle: Bloomberg
 
Vorstand Humanwirtschaftspartei
Landesverband Berlin-Brandenburg

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