19. September 2025

Die Grauen Herren, der Kapitalismus und das lebendige Geld

Ein Beitrag von “Die Aufklärung” — übernommen aus Facebook


Erklärung zur Aufklärung:

Was uns Michael Ende mit „Momo“ über unsere Zeit und unser Geld lehrt – und wie Silvio Gesell einen Ausweg zeigte.

In Michael Endes zeitloser Erzählung Momo erscheinen sie plötzlich, unbemerkt – die Grauen Herren. Sie wirken höflich, geschäftsmäßig, unscheinbar. Und doch verändern sie die ganze Welt. Sie bringen eine Botschaft, die auf den ersten Blick vernünftig klingt: „Spare Zeit.“ Jeder Mensch, so behaupten sie, könne produktiver, effizienter und erfolgreicher sein – wenn er lerne, seine Zeit nicht mehr zu „verschwenden“.

Und so verzichten die Menschen bald auf Freundschaft, Spiel, Stille und Muße. Eltern spielen nicht mehr mit ihren Kindern. Friseure reden nicht mehr mit ihren Kunden. Künstler, Lehrer, Nachbarn – alle hetzen von Aufgabe zu Aufgabe, ohne je anzukommen. Sie sparen Zeit – und verlieren dabei ihr Leben. Denn wie Michael Ende schreibt:

„Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen.“

Was die Grauen Herren wirklich tun: Sie rauben Zeit, um selbst zu überleben. Ihre Zigarren bestehen aus verdichteter, gestohlener Lebenszeit. Ohne sie würden sie verschwinden.

Kapitalismus im grauen Anzug

Wer die Geschichte heute liest, erkennt darin leicht eine Allegorie auf unsere Zeit: Der moderne Kapitalismus wirkt oft wie ein System der Grauen Herren.

Auch heute wird uns suggeriert, wir müssten ständig produktiver sein, effizienter, flexibler, verfügbar. Schneller leben – oder untergehen.

Wer Pause macht, gilt als faul.

Wer nicht mithält, verliert.

Wer nicht „investiert“, hat „versagt“.

Wie die Grauen Herren lebt auch der Kapitalismus nicht vom Leben, sondern vom Entzug des Lebens. Zeit wird zur Ware. Beziehungen werden optimiert. Selbst Stille wird kommerzialisiert. Alles dient einem Zweck: Mehr. Schneller. Weiter.

Doch am Ende steht eine Gesellschaft, die immer mehr produziert – und dabei immer weniger wirklich lebt.

Geld, das leben und sterben darf!

Hier kommt ein überraschender Gedanke ins Spiel:

Silvio Gesell, der fast hundert Jahre vor Momo einen grundlegenden Wandel des Geldsystems forderte.

Auch er erkannte:

Wenn Geld gehortet, statt verwendet wird, blockiert es das Leben.

Sein Vorschlag:

Freigeld“ – also ein Geld, das durch Umlaufsicherung (z. B. via Negativzins) nicht unbegrenzt gespeichert werden kann.

So wie Obst verdirbt, wenn es zu lange lagert, soll auch Geld weitergegeben, geteilt, in Bewegung gehalten werden. Nicht gehortet, nicht angehäuft, sondern im fließen wie Wasser oder wie Zeit.

Gesells Geldtheorie erinnert an das, was Momo rettet:

Rückgabe der Zeit an die Menschen, Rückkehr des Lebensflusses. In einer Welt, in der alles stagniert, was nicht profitabel ist, ist die Idee des vergehenden Geldes eine radikale Einladung zum wahren Leben.

Leben statt Sparen – Jetzt statt Später

Was Michael Ende poetisch beschreibt, formuliert Silvio Gesell als wirtschaftliches Modell:

– Zeit ist kein Spekulationsobjekt.

– Geld darf kein Machtinstrument sein.

– Leben braucht Bewegung – in der Zeit, im Austausch, im Miteinander.

In beiden Fällen geht es um die Rückgewinnung von Menschlichkeit in einer entmenschlichten Welt. Um eine Ökonomie, die dem Leben dient – nicht das Leben einer Ökonomie opfert.

Und heute?

Die Grauen Herren sind längst wieder da. Sie tragen andere Namen: Effizienzsteigerung, Flexibilisierung, Wachstumszwang.

Aber wie damals in Momo braucht es Menschen, die ihnen widersprechen – und Alternativen aufzeigen.

Die sagen:

Zeit ist nicht Geld. Zeit ist Leben. Und Geld soll dem Leben dienen – nicht es ersetzen.

Silvio Gesells Geldkonzept ist kein Märchen, sondern ein Denkangebot. Es könnte ein Werkzeug sein, um eine Wirtschaft zu gestalten, in der Menschlichkeit wieder Vorrang hat.

Vielleicht ist es an der Zeit, sich zu erinnern: an Momo.

An das Kind, das den Grauen Herren widersprach. Und an all die Zeit, die uns gehört – solange wir sie nicht aus Angst zu sparen versuchen.

https://michaelende.de/momo

https://www.sozialoekonomie.info/…/weiterfuehrendes-3…

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