12. Dezember 2024

Karl Marx, der Zins und die Ausbeutung

Zum neuen Jahr möchte ich einige Gedanken zu einem seit Jahrhunderten ungelösten Menschheitsthema los werden.

Karl Marx stellte ja den Klassenkampf in den Mittelpunkt der Kapitalismuskritik. Ich denke, dass diese Sichtweise zu kurz greift. Ich stelle folgende Gegenthese auf:

Der Mensch steht im Kapitalismus unter dem Zwang des monetären Systems, welches auf Grund seiner Eigendynamik und seines ihm innewohnenden Wachstumszwanges die Gesellschaft in Reiche und Arme teilt, in Besitzende (an Produktionsmitteln und Boden) und Besitzlose, in die Klasse der Besitzenden an Produktionsmitteln, die “Besitzbürger” und in mittellose Arbeiter, die Arbeiterklasse. Unter den Besitzenden versteht Marx diejenigen, denen Land gehört, die Eigentum besitzen. Das waren und sind Fabrikbesitzer, leitende Angestellte und Beamte. Aus ihnen gingen und gehen die Superreichen hervor, die allein von den Zinsen ihres Kapitals leben konnten und ob ihres Reichtums die Wirtschafts- und Finanzwelt ebenso wie die Politik beherrschten und beherrschen.

Ich habe mich lange gefragt, warum diese „Gut-Böse-Ideologie“ keine Kraft für Veränderungen hat, warum daraus keine echte Evolution entstehen kann. Denn jeder Mensch hat ja beide Seiten in sich, er möchte reich sein, nicht arm und mittellos. Das heißt, der Klassengegensatz ist eigentlich im Menschen von vorne herein angelegt. Deshalb endet jede Revolution im Desaster, in einer neuen Ungerechtigkeit. Der Mensch ist nun mal auch gierig, nur wenige sind frei davon. Nach meinem Menschenbild gibt es keine bösen und keine guten Menschen. Wenn jemand an sich arbeitet, kann er ein guter Mensch werden. Aber dafür muss jeder selbst etwas tun. Der weitgehend unbewusste Mensch (was die meisten sind) passt sich an seine äußere Situation an, wird sozialisiert durch Medien und soziale Umstände.

Es muss also eine andere Erklärung für das ewig im Kreise drehende Ausbeutungs- und Unmündigkeitsproblem geben, eine andere Ausgangsthese, die wirklich den Kern trifft. Statt also das Problem der „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ als ideologisches Problem zu sehen, wie es noch Marx tat, sollte es strukturell verstanden werden: Beide „Klassen“ ordnen sich ja unter die gleiche Kapitaldynamik und damit Zinseszinsdynamik unter, die sie vorfinden. Beide werden von einer faktischen Struktur gezwungen und nicht von einer Ideologie. Silvio Gesell erkannte, dass die primäre Ausbeutung in der Zirkulationssphäre des Geldes (Zinsdynamik) liegt und sekundäre Ausbeutung in der Produktionssphäre (Mehrwerttheorie). Er traf damit den Kern der Ausbeutung, anders als noch Karl Marx.

Es erscheint mit also ganz plausibel, dass Karl Marx auch in den Mainstream und in der Wissenschaft nicht totgeschwiegen wird, sondern sogar von Kapitalisten als deutscher Denker gefeiert wird. Der Grundwiderspruch, unter denen gerade die armen Menschen leiden, und unter dem die Reichen immer reicher werden, ist also nicht ideologisch (Ächtung des Privateigentums, Mehrwerttheorie) fassbar, sondern vielmehr strukturell (Zirkulationsbedingungen des Geldes).

Das gesellschaftliche Problem von arm und reich ist also zunächst im Menschen potentiell angelegt. Von ihm geht es aus. Diese Erkenntnis zwingt uns zu der Schlussfolgerung, dass es im Außen ein Korrektiv geben muss, damit sich im gesellschaftlichem Außen diese Dualität nicht zur Polarisierung der Gesellschaft manifestiert. Hier helfen uns keine “Gut-Böse-Ideologien”, auch keine Marxistische. Wir sind alle potentiell zunächst Ausbeuter und Ausgebeutete. Jeder Mensch hat beide Seiten in sich und diese Dualität spiegelt sich im Außen in Form bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse wider. Wie innen, so außen, wie unten, so oben (Die alten hermetischen Gesetze)! Nur diese Erkenntnis bringt uns hier weiter. Wir müssen das Unbewusste in unsere Überlegungen mit einbeziehen, anstatt menschliches Sein und die Frage der menschlichen Ausbeutung bzw. Emanzipation nur auf die Ratio, auf binäre Ideologien zu reduzieren (Privateigentum an Produktionsmittel vs. Volkseigentum, Ausbeuter vs. Ausgebeutete)!

Es ist auffällig, wie stark wir derzeit alle Fragen und Probleme rein ideologisch angehen. Die großen Denker dachten in “entweder-oder”-Kategorien, sahen die emanzipatorische Befreiung des Menschen immer als einen Triumpf über “böse Mächte”, den “Teufel”, den Ausbeuter, den Feudalherren. Aber im Hamsterrad dieser binären Ideologien gibt es keine Lösung, sondern nur ewige Wiederholung, solange die Struktur des Problems nicht verstanden wurde. Wie also entkommen wir dem ewigen Kreislauf, dem ewigen Streben der einen Seite, der Armut zu entkommen und der anderen Seite, ihren Reichtum zu behalten und zu mehren? Solange wir die strukturellen Ursachen auf der Zirkulationsebene des Geldes nicht verstehen, in der das passiert, und nicht wirklich durchschauen, tauschen wir nur die Plätze im Ganzen.

Ich glaube, die Lösung ist ganz und gar eine evolutionäre. Zunächst müssten wir anerkennen, dass jeder Mensch beide Seiten, ja viele Seiten in sich hat und aufgrund der äußeren Verhältnisse entweder die eine oder die andere verwirklicht. Da ist es dann zunächst reine Glückssache, in welchen Bereich wir hineingeboren werden. Auch der Arbeiter ist nicht „edler“ als der Fabrikbesitzer oder Immobilienmakler. Beide nutzen das wirtschaftliche System, das sich in den sozialen Strukturen widerspiegelt, nach ihren Möglichkeiten. Natürlich nutzt jeder ganz individuell die Umstände, aber im Grunde finden wir sie vor und machen, so oder so, das Beste daraus. Es muss also die monetäre Struktur, die Armut und Reichtum produziert, verändert werden. Strukturen haben Macht. Das Geldsystem hat eine gewaltige Macht. Es ist eine unpersönliche Macht, die sich aus der Eigendynamik der Kapitalverwertung ergibt. „Es“ sorgt dafür, dass Reiche reicher werden können, während die wirklich Wert-Schaffenden bettelarm werden. Was braucht es also als Korrektiv auf der ökonomischen Ebene?

Ein fließendes und natürliches Geldsystem. Ein freiwirtschaftliches Geldsystem, das wegen seiner immanenten, auf Naturgesetzen beruhenden Eigenschaften für einen stetigen zirkulären Fluss des Geldes sorgt, ohne dass Wertschaffende enteignet werden und unproduktive „Geldhorter“ immer reicher werden. Die für ihren Reichtum praktisch nichts tun müssen, als „das Geld für sich arbeiten zu lassen“!

Wir sehen, wir können mit dieser ermüdenden permanenten Ideologisierung aufhören, diesen ewigen Kampf um eine bessere Welt, am Grundproblem vorbei, in der wir ständig Schuldige suchen und Opfer und Täter identifizieren, gegen die wir uns wehren müssen.

Der Böse ist innerhalb von Ideologien immer der Andere, egal aus welcher Position. Jeder zeigt mit dem Finger auf einen anderen, der verantwortlich ist für das eigene Elend. Ein unsägliches globales Schuldspiel, das unsere Welt ins geistige Mittelalter und in das Chaos zurückwirft und permanent Unfrieden, Tyrannei und Krieg produziert. Wer profitiert davon, wem nützt das?

Konklusion:

Der Mensch ist in der heutigen „zivilisierten“ Welt dem Mammon des Geldes unterworfen. Sowohl die Reichen als auch die Armen! Weil dem Geld Eigenschaften zugeschrieben werden, die es natürlicherweise gar nicht hat. So machen wir aus dem Geld eine Götze, einen Abgott, den wir anbeten! Wir brauchen eine Renaturalisierung unserer Ökonomie, eine grundlegende Erforschung zur Frage, was Geld eigentlich ist und wie Geldkreisläufe funktionieren. Während alles altert, altert Geld in unserem gegenwärtigen kapitalistischen Geldsystem nicht, sondern wächst durch reine Hortung an – auf Kosten der Schuldner, die für diesen Zuwachs auf dem Konto des Gläubigers arbeiten müssen. Daraus entsteht eine tiefe Ungerechtigkeit quer durch die Gesellschaft. Wir brauchen eine andere Umlaufsicherung, als die Idee des Zinses, der sich momentan wie ein Krebsgeschwür im lebendigen Kreislauf der Wirtschaft festsetzt und sich von den Schulden und unzähligen Schuldnern nährt, die es massenhaft erzeugt. Das führte und führt in der Geschichte immer wieder zu zyklischen Krisen und Kriegen. Es gibt darüber bereits unzählige Literatur.

Und deshalb ist eine Partei wie die Humanwirtschaft mit ihrem strukturellen Ansatz am Wirtschaftssystem die einzige emanzipatorische Partei, weil sie eben nicht ideologisch daherkommt. Sie braucht keine „Bösen“, keine „Ausbeuterklasse“, die sie als das Grundübel ausmacht. In diesem Paradigma gibt es keine Revolutionen gegen Menschen. Der Kampf „Mensch gegen Mensch“ ist hier endlich beendet, wenn wir die strukturelle Ursache des Zangengriffs des momentanen Geldsystems verstanden haben. Wir brauchen den Kampf dann nicht mehr. Wir müssen nur unseren fatalen Denkfehler korrigieren und auf der wirtschaftlichen Ebene des Geldkreislaufes berichtigen.

Humanwirtschaftliche Fachliteratur (Quelle: http://humanwirtschaftspartei.de/sub/Archiv/):

Die natürliche Wirtschaftsordnung
Durch Freiland und Freigeld

Silvio Gesell, Erstveröffentlichung 1916, Rudolf Zitzmann Verlag 1984
Standardwerk des Begründers der Natürlichen Wirtschaftsordnung [Freiwirtschaft], das in seiner Logik nichts an Aktualität verloren hat. Mit seinem Reformkonzept war Gesell seiner Zeit voraus.

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Fließendes Geld für eine gerechte Welt
Warum wir ein alternatives Geldsystem brauchen

Steffen Henke
Was ist Geld? Wie gelangt es in den Umlauf und wie bleibt es im Umlauf? Hat unser aktuelles Geldsystem einen Fehler? Wenn ja, gibt es alternative Systeme und wie funktionieren sie? Auf diese und viele weitere Fragen geht das Werk ein. Das Buch versucht den Spagat zu schaffen, einerseits in die inhaltlichen Tiefen vorzudringen, andererseits eine Verständlichkeit zu liefern, so dass es für alle Leserinnen und Leser geeignet sein soll, die sich mit dem Thema beschäftigen möchten.

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Das Geld Syndrom
Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft

Helmut Creutz, Edition Hathor Verlag

Warum werden die weltweit vagabundierenden Geldströme immer größer, weshalb reagieren die Kurse an den Aktien- und Devisenmärkten immer verrückter und warum bekommen die Notenbanken Geldmenge und Kaufkraft nicht in den Griff? Vielleicht haben Sie…

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Das Geld der Zukunft
Über die zerstörerische Wirkung unseres Geldsystems und Alternativen hierzu

 
Bernard A. Lietaer, Riemann Verlag, One Earth Spirit, 1999
Der Finanzfachmann setzt sich mit der Problematik des existierenden Geldsystems und der ihm zugrundeliegenden Mentalität auseinander. Als notwendige Ergänzung zum bestehenden Geldsystem fordert er den Aufbau von Komplementärwährungen – als »Geld der…

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Der Nebel um das Geld
Zinsproblematik · Währungssysteme · Wirtschaftskrisen

Bernd Senf, Verlag für Sozialökonomie, 2004
Geld regiert die Welt, und die Zentralbanken und Banken das Geld. Arbeitslosigkeit, Inflation, Verschuldung, Wirtschaftskrisen und letztlich auch Umweltzerstörung sind Symptome der Geldpolitik.

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Der Tanz um den Gewinn
Von der Besinnungslosigkeit zur Besinnung der Ökonomie

Bernd Senf, Verlag für Sozialökonomie, 2004
Bernd Senf legt hier mehrere Aufsätze über tiefere wirtschaftliche Ursachen globaler Fehlentwicklungen vor. In allgemein verständlicher Weise wird herausgearbeitet, dass die sich verschärfenden Krisen verankert sind in der problematischen Ermittlung…

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Gier
Eine Welt von allen guten Geistern verlassen

Rudolf Brandstetter

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kennzeichneten Schlagwörter wie Globalisierung, Liberalisierung, Deregulierung, Flexibilisierung, Just-in-time-Arbeiter, Outsourcing usw. die Konsumgesellschaft. Das grenzenlose Wirtschaftswachstum sollte die Börsen, die Weltwirtschaft und besonders den >Mehrwert für die Aktionäre< (>Shareholder-Value<) in Gang halten.


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Mysterium Geld
Emotionale Bedeutung und Wirkungsweise eines Tabus

Bernard A. Lietaer, Riemann Verlag, One Earth Spirit, 2000

Das Ende von Geld- und Machtspielen? Bernard Lietaer lüftet das letzte Tabu der Neuzeit: Das Yin und Yang vom Geld. Geldsysteme fallen nicht vom Himmel. Sie werden von Menschen gemacht. Im großen historischen Rahmen zeigt der Top-Finanzfachmann und…


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Strukturen des Aufbruchs
Von der Konkurrenzgesellschaft zur Solidargemeinschaft

Herausgegeben von Vladimir Svitak, HIRZEL, 2001

Die bisherigen Bemühungen, zentrale Weltprobleme zu lösen, sind in vielen Bereichen ohne den gewünschten Erfolg geblieben. Das vorliegende Buch verbindet konservative Wege mit visionären Neuerungen.


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Der Informator
Die Welt im Würgegriff des Kapitals

Peter De Baer

Armut verbreitet sich wie eine Seuche. Warum?
Liebe ist so wichtig wie Essen und Trinken!

Die Menschheit hat nur einen einzigen Feind. Es ist der Kapitalismus!


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